Auf Anfrage des damaligen Besitzers, Herrn Josef Reiter, gab der damalige Heimatpfleger für den Landkreis Augsburg, Herr Dr. Eberlein, im Jahre 1953 folgende Stellungnahme zum "Kirchberg" ab:


A. Z. II/324-4
Der Heimatpfleger                Augsburg, den l9. Oktober 1953
     für den                      Kreuzeckstraße 14
Landkreis Augsburg                Fernruf 30259
An das
Landratsamt Augsburg
G ö g g i n g e n


Betreff: Der "Kirchberg" zu Batzenhofen, Plannummer 464/477 der
         Steuergemeinde Batzenhofen

     Im Bereiche der Gemeinde Batzenhofen schieben sich von Westen
her drei Hügelrücken gegen das Schmuttertal vor, und zwar im Süden
der Höhenzug zwischen dem Gailenbach und dem Böglegraben, im Norden
der Katharinenberg und in der Mitte der etwas niedrigere Kirchberg.
Auf letzterem liegt, rund 400 m nordwestlich von der Pfarrkirche
und rund 200 m südwestlich von der Sebastianskapelle das im Betreff
genannte, dem Landwirt Josef Reiter in Batzenhofen, Hs.Nr. 34, gehö-
rige Grundstück mit der im Naturdenkmalbuch eingetragenen zweistämmi-
gen Eiche.
     Das Grundstück, der "Kirchberg" (im engeren Sinne), ein auf-
fälliger, offenbar künstlich geformter Hügel, bildet eine etwa 40 m
lange und 12 bis 15 m breite oben abgeplattete Höhenzunge, die sich
im Westen allmählich von dem Hinterland abhebt und in sanfter Neigung
gegen Osten hinzieht. Der vordere, gegen das Dorf gewendete Rand der
Platte ist abgerundet und liegt ungefähr 2,50 m höher als das ihn
umgebende Gelände. Die steilen Böschungen an der Vorderseite und den
beiden Längsseiten im Süden und Norden sind mit Gebüsch und Hecken-
sträuchern bewachsen, an mehreren Stellen geringfügig angegraben,
und Gebüsch und Hecken teilweise durch Unratablagerung verunziert.
An der südöstlichen Ecke des Höhenrandes steht die oben erwähnte
zweistämmige Eiche. Ihr Umfang hart über dem Wurzelstock beträgt
ungefähr 5,20 m, der Umfang der beiden Stämme 3,70 bzw. 3,10 m.
Die Höhe der hauptsächlich gegen Südosten ausladenden Baumkrone ist
auf 16 bis 18 m zu schätzen. Wenige Meter davon entfernt gewahrt man
den Wurzelstock einer umgelegten zweiten Eiche mit einem Umfang von
ungefähr 3,80 m. Daneben liegt der gefällte Stamm der Eiche mit einem
Durchmesser von 0,80 m. 12 bis 15 m weiter westlich stehen an der
südlichen Böschung der Höhenzunge noch drei weitere um vieles jüngere
Eichen.

II.
     Nach den bei dem Heimatpfleger vorhandenen Unterlagen, deren
Richtigkeit quellenmäßig allerdings noch nicht nachgeprüft werden konn-
te, stand auf dem genannten Grundstück einst eine Johannes dem Täufer
geweihte Kapelle, auf die wohl der Flurname "Kirchberg" zurückzuführen
ist. Erbaut wurde die Kapelle anscheinend geraume Zeit vor 1575; denn
ein Visitationsbericht aus diesem Jahre bezeichnet sie als "profanirt
und zergangen". In einem aus dem Jahre 1738 stammenden "Geometrischen
Grundrißbuch" des Augsburger Damenstifts St. Stephan führt die Kapelle
den Namen "St. Johannes et Sebastian Kürch", den sie vermutlich mit
Rücksicht auf einen 1669 darin errichteten Sebastiansaltar erhalten
hatte. Sie wurde 1765 abgebrochen. Im nächsten Jahre entstand die
Sebastianskapelle am damaligen Nordende des Dorfes auf der Westseite
der nach Holzhausen führenden Straße. Von diesem Neubau meldet die Sage,
daß die Kapelle ursprünglich auf dem Kirchberg hätte errichtet werden
sollen; aber jede Nacht sei das, was man am Tage zuvor gebaut hatte
auf geheimnisvolle Weise vom Kirchberg an den jetzigen Platz der
Kapelle getragen worden. Daher habe man sich für den neuen Standort
entschieden. Der "Kirchberg" scheint nach dem Abbruch der Johannes-
und Sebastian-Kapelle 1765 kein Bauwerk mehr getragen zu haben; heute
dient das Grundstück dem Ackerbau.

III.
     Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der "Kirchberg" als einstige
Dingstätte zu betrachten sei, sind nicht vorhanden. Diese Vermutung
wurde mir gegenüber zum ersten Male vor einigen Monaten von Herrn
Josef Jörg in Batzenhofen, Altersheim Sonnenhof, ausgesprochen; ich
mußte ihn aber nach Lage der Dinge auf die starken Bedenken gegen eine
solche Anschauung aufmerksam machen. Herr Jörg hat dann in der Schwäbi-
schen Landeszeitung, Augsburger Landbote, vom 4. September 1953 einen
Aufsatz "Thing-Hügel am Rande von Batzenhofen" veröffentlicht. Darin
wird der "sogenannte Kirchberg heutiger Benennung" als eine "Kultstätte
von hohem Alter und einstmals großer Bedeutung" bezeichnet. Weiter
heißt es: "Dieser Kirchberg bzw. dieser auf einem Acker künstlich auf-
geführte Erdhügel erweist sich bei sachkundiger Betrachtung als gut
erhaltener typisch vollendeter germanischer Thing-Platz". Eine nähere
Begründung wird jedoch nicht gegeben. Ferner liest man: "Auf diesem
Hügel steht heute an derselben Stelle noch die altehrwürdige Thing-
Eiche." Zum Schluß wird noch erwähnt, daß "der heutige Batzenhofer
Kirchberg als typischer altgermanischer Thing-Platz und Kultstätte
unserer Vorfahren mit seinem hohen Alter mehr Beachtung verdient,
nachdem bisher von seiner einstigen Bedeutung nichts bekannt geworden
ist."

IV.
     Diesen Behauptungen kann man sich leider nicht anschließen. Ab-
gesehen davon, daß keinerlei Überlieferung in Batzenhofen von dem
Kirchberg als alter Dingstätte berichtet, sprechen Lage und andere
Umstände durchaus gegen eine solche Annahme.
     Das Gebiet der heutigen Gemeinde Batzenhofen gehörte zu dem
Bereiche der Urmark Hirblingen, die sich in breitem Streifen zwischen
den Urmarken Gablingen und Täfertingen von Osten her über die
Hochterrasse und das Schmuttertal bis hinein in die westlichen Wälder
erstreckte. Als Ausgangspunkt für die Entstehung der Ortschaft Batzen-
hofen ist der vielleicht schon in die Zeit der Landnahme um 500 n. Chr.
zurückreichende Maierhof anzusehen. Dabei darf nicht ohne Grund daran
gedacht werden, daß dieser Maierhof selbst wieder auf einen vordeutschen
(römischen) Gutshof zurückgeht, d.h. daß er den vorhandenen Kulturboden
eines vordeutschen Gutsbetriebes übernommen hat.
     Der Maierhof stand an dem nordöstlichen Abhang des zwischen dem
Gailenbach und dem Böglegraben sich an die Schmutter heranschiebenden
Höhenzuges; auf diesem lag auch das zugehörige Ackerland. Westlich
anschließend begann auf diesem Höhenzug der Wald, dem erst Jahrhunderte
später das Gelände des Dorfes Edenbergen und seiner Flur durch Rodung
abgerungen wurde. Im übrigen zog sich vor Beginn der ersten großen
Rodungsperiode etwa im achten Jahrhundert der Wald überall von den
Höhen herab bis an den Rand der Talsohle, wie es heute noch bei den
weiter südlich gelegenen Hängen des Hammelberges und des Loderberges
der Fall ist. So war auch nördlich von dem Böglegraben das Gelände des
heutigen Kirchberges und des Katharinenberges bis gegen die Talwiesen
hin mit Wald bedeckt.
     Als dann ungefähr im achten Jahrhundert, vom Maierhof ausgehend,
die Dorfsiedlung Batzenhofen ins Leben gerufen wurde, mußte die dafür
benötigte Ackerfläche erst durch umfangreiche Rodearbeit gewonnen
werden. Pfarrkirche und Pfarrhof sowie die Ehaften, nämlich Mühle
und Taferne, entstanden auf dem Areal des Maierhofes südlich von dem
Böglegraben. Diese Gegend ist auch stets das Kerngebiet der Ortschaft
geblieben. Dagegen gehörte der weitab von dem Dorfkern liegende,
später als "Kirchberg" bezeichnete Platz, auf dem im 16. Jahrhundert
die Johanneskapelle nachgewiesen ist, zu dem Waldgebiet, das frühestens
bei der Entstehung der Dorfsiedlung in Ackerland umgewandelt wurde.
Seine einstige Verwendung als "altgermanischer Thing-Platz" erscheint
demnach ausgeschlossen.
     Das Alter der auf dem Kirchberg stehenden zweistämmigen Eiche
wird auf 150 bis 200 Jahre geschätzt. Selbst wenn man das Alter der
gefällten Eiche um hundert Jahre höher annimmt, so könnte diese immer
erst in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege gepflanzt worden sein.
Es ist daher nicht möglich, daß sie als "altehrwürdige Thing-Eiche"
in das frühe Mittelalter zurückreicht.
     Die Frage, ob und inwieweit etwa ein Zusammenhang zwischen dem
Kirchberg und der durch Flurnamen bezeugten "Reglesburg", die im
Nordwesten von Batzenhofen zu suchen ist, bestanden hat, kann nur
durch weitere eingehende Forschung geklärt werden.

V.
     Obgleich der Kirchberg nach Vorstehendem nicht als ehemalige
Dingstätte angesprochen werden kann, so stellt er doch als einstiger
Standort der Johannes- und Sebastiankapelle einen in ortsgeschicht-
licher Hinsicht bedeutsamen Platz dar, der besonderen Schutz verdient.
Da durch die Eintragung der dortigen Eiche in das Naturdenkmalbuch
die Hecken an den Böschungen mitgeschützt sind, wird diese Maßnahme
vorerst für ausreichend erachtet. Man darf auch ohne Einschränkung
der Meinung beipflichten, daß sich der Kirchberg für Kundgebungen
und ähnliche Veranstaltungen größeren Ausmaßes eignet. Daher mag
wohl eine entsprechende Anregung genügen, damit dem Platz künftig
eine bessere Pflege als bisher zuteil wird.





Im Zusammenhang mit dieser Stellungnahme ergeben sich für den Verfasser dieser Homepage folgende Fragen:

1. Der Heimatpfleger bestätigt, daß es sich beim Kirchberg um einen "auffälligen, offenbar künstlich geformten Hügel" handelt (sh. Abschnitt I.). Aus den in Abschnitt I. genannten Maßen und unter Berüchsichtigung des natürlichen Geländeverlaufs läßt sich abschätzen, daß zur Errichtung etwa (40 x (12+15)/2 x 2,5) / 2 = 675 Kubikmeter (!) Erdreich bewegt werden mußten. Warum haben unsere Vorfahren diesen immensen Aufwand getrieben?
2. Wozu die Aufschüttung eines künstlichen Hügels in Dorfnähe, wenn im weiteren Umkreis genügend natürliche Hügel vorhanden sind? Etwa zur Gewinnung von Ackerland, das ohne den Hügel sogar einfacher zu bewirtschaften gewesen wäre?
3. Wenn die früher auf dem Kirchberg vorhandene Johanneskapelle einerseits bereits in Jahre 1575 "profanirt und zergangen" war (sh. Abschnitt II.), andererseits aber 1765, also 2 Jahrhunderte später, immer noch stand und sogar abgebrochen werden mußte, um wieviel "geraume Zeit" vor 1575 war die Kapelle wohl errichtet worden?
4. Warum machten sich die frühen Batzenhofener die Arbeit, eine Kirche so weit vom Ortskern entfernt zu errichten? Die Bezeichnung "Kapelle" stammt aus dem Vokabular des Heimatpflegers. Die offizielle Bezeichnung war selbst im Jahre 1738 noch "Kürch", also Kirche (siehe Abschnitt II.). Oder hat man damals einfach nicht zwischen Kirche und Kapelle unterschieden?
5. Warum wurde die 1575 verfallene, profanisierte Johanneskapelle 1669 mit einem neuen Sebastiansaltar ausgestattet und sozusagen "wiederbelebt"? (und vielleicht auch renoviert, was erklären würde, warum sie 1765 noch stand). Erinnerte man sich in den Notzeiten der Pest plötzlich wieder an einen alten "Kraftort"? Immerhin ist der heilige Sebastian einer der bekanntesten "Pestheiligen".

Es drägt sich folgende Vermutung auf:
Es ist bekannt, daß unsere Vorfahren um "Kraftorte" wußten. Diese wurden über Jahrhunderte, ja Jahrtausende als Kultplätze genutzt. Im Zug der Christianisierung wurden auf derartigen Plätzen oft ganz bewußt Kirchen gebaut, um dem heidnischen Kult ein Ende zu bereiten. Könnte dies nicht auch in Batzenhofen so gewesen sein? Vielleicht war sich der Heimatpfleger selbst nicht hundertprozentig sicher. Warum wählte er in Abschnitt IV. die Formulierung "erscheint demnach ausgeschlossen" und schrieb nicht klar und eindeutig "ist ausgeschlossen"?
Und zuletzt: Könnte dies nicht sogar erklären, warum jemand das Baumaterial an eine andere Stelle schaffte? Weil Einige 1765 ganz bewußt keine Kapelle mehr auf einem alten Kultplatz errichten wollten? (sei es, um den alten Kultplatz zu schützen oder weil sie keine Kapelle auf vormals heidnisch genutztem Boden wollten)
Tatsache ist, daß der Hügel mit der alten Eiche noch heute seine eigene Atmosphäre besitzt, insbesondere in den Morgen- und Abendstunden beim Sonnenauf- und -untergang.

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